#6 Wahlspecial: Soziale Mobilität, Arbeit und Anerkennung
Während die Wahlen vor der Tür stehen und Donald Trumps republikanischer Vize-Präsidentschaftskandidat JC Vance mit skandalösen Aussagen auf sich aufmerksam macht, widmen wir uns der Verfilmung seiner 2016 erschienenen Memoiren: “Hillbilly Elegy” (US 2020). Welches Bild von monetär benachteiligten Gesellschaftsgruppen zeichnet Vance und wie setzen Regisseur Ron Howard und Drehbuchautorin Vanessa Taylor seine Familiengeschichte, die sich selbst auch als Blick auf US-amerikanische Geschichte und Gesellschaft versteht, in Szene? Wem, unter all den hart Arbeitenden, ist es vorbehalten, den amerikanischen Traum, den Aufstieg in die Elite nach Yale zu leben? Welche Rolle kann Film in der Darstellung von unterrepräsentierten Gruppen einnehmen und welche Verbindungen lassen sich über den Aspekt der Anerkennung in Bezug auf Wähler*innenverhalten herstellen? Welches Bild zeichnet der Film außerdem von Vances alleinerziehender Mutter, die gegen eine Suchterkrankung kämpft?
Ebenfalls alleinerziehend kämpft sich Helga in “Die beste aller Welten” (A/D 2017) mit ihrem 7-jährigen Sohn Adrian durchs Leben. Diese ebenso autobiografisch inspirierte Geschichte – das Drehbuch- und Regiedebüt von Adrian Goiginger – erzählt mitfühlend vom Alltag einer kämpferischen Frau, die sich, ganz im Gegensatz zu Vances Story, eine liebevolle Mutter mit agency zeigt. Wir fragen uns außerdem, wie und welche “Welten” hier aufeinanderprallen und ob es auch einen Austausch zwischen Menschen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gibt.
In Annika Pinskes Debütfilm “Alle reden übers Wetter” (D 2022) finden sich auch die Themen Klassenaufstieg und soziale Mobilität, hier in Verbindung mit Ost- und Westnarrativen. Clara, Mutter mit geteilten Sorgerecht, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Berlin und schreibt an ihrer Dissertation. Im Gegensatz zu ihren Kolleg*innen bringt sie ihr kulturelles Kapital nicht bereits aus einer akademisch geprägten Familie mit. Zum Geburtstag ihrer Mutter reist sie nachhause in die Uckermark und erlebt das Aufeinandertreffen ihrer veränderten Lebenseinstellungen- und -umstände mit denen ihrer Mutter. Welches Bild von Klassenverhältnissen transportiert Pinske und welches Gewicht nehmen darin kulturelles und monetäres Kapital ein?
Adam Meeks Kurzfilm “Union County” (US 2020) widmet sich dem Thema Suchterkrankung und Arbeit. Cody findet durch ein Recovery Programm wieder zurück in eine Normalität – ein Film, der sensibel und bestärkend vom Wiedereinstieg erzählt.
Filme #6:
Hillbilly Elegy (US 2020), R: Ron Howard, D: Vanessa Taylor, Netflix
ca. 28:00: Die beste aller Welten (A/D 2017), R/D: Adrian Goiginger
ca. 49:00: Alle reden übers Wetter (D 2022), R/D: Annika Pinske
Union County (US 2020), R/D: Adam Meeks (ganzer Film)





Shownotes:
Arlie R. Hochschild
Michèle Lamont: Seeing Others
Roberto Minervini
Andreas Reckwitz – Die Gesellschaft der Singularitäten
Konferenz Filmakademie Wien (April 2024): Arbeit – soziale Klasse – Politik – Film